Freitag, 30. Oktober 2009

ZEN Schatzkammer, Band 3

Liebe Bloggerinnen und Blogger,


gerade ist der neue Band 3 meiner Einführung „ZEN Schatzkammer“ herausgekommen. Ich freue mich, dass damit alle 3 Bände der einführenden Gesamtausgabe zu dem großen Werkes Shobogenzo von Meister Dogen fertig gestellt sind. Das heißt, dass damit alle 95 Kapitel des Shobogenzo auch von denen studiert werden können, die zunächst nicht die Zeit für die Originaltexte haben. An der deutschen Übersetzung dieses Quellenwerkes habe ich selbst 8 Jahre mitgearbeitet.


Nach meiner Kenntnis ist dies die erste Gesamtausgabe einer, wie ich hoffe, gut verständlichen und authentischen Einführung zum Shobogenzo in Deutsch und überhaupt in einer westlichen Sprache. Er enthält weitere zentrale Kapitel , z. B.

- Wie begegnen wir Buddha und den großen Meistern?

- Die Drachen singen in den kahlen Bäumen

- Die Erweckung des Willens zur höchsten Wahrheit

- Die 37 Elemente des Erwachens

- Die Wirkung des Karma in den drei Zeiten

- Tiefes Vertrauen in das Gesetz von Ursache und Wirkung


- Die acht Wahrheiten eines wirklich großen Menschen

Die Inhalte des Buches wurden ganz eng mit dem großen Altmeister des Shobogenzo, Nishijima Roshi, abgestimmt, der ohne Zweifel der ´Vater´ aller Übersetzungen dieses großen Werkes ist.


Zusammen mit der Lektorin Gabriele Ernst haben wir versucht, eine größtmögliche Verständlichkeit dieses so wichtigen Werkes zu erreichen, ohne die wesentlichen Aussagen zu verwässern oder zu popularisieren. Die Zitate und Koan-Gespräche sind in originaler Fassung dem Quelltext selbst entnommen.


Dieser Band 3 kann wieder in jedem Buchladen oder im Internet bestellt werden (Preis 19,80), z. B unter:


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Und nun viel Freude beim Lesen und viele super Augenblicke!



Yudo J. Seggelke

Donnerstag, 22. Oktober 2009

Das große Retreat der Sommer-Praxis (Ango), Teil 3

Dôgen zitiert einen alten Text, dem zufolge Gautama Buddha selbst ein Sommer-Retreat von 90 Tagen durchführte, sich aber dabei aus der Gemeinschaft zurückzog, also ein Solo-Retreat abhielt. Er bat seinen Schüler Ananda, das gemeinsame Retreat mit allen Teilnehmern an seiner Stelle in Vertretung zu leiten. Nach Dôgen hat Buddha auf diese Weise ohne Worte und Dharma-Vorträge gelehrt.

Manche leiten daraus ab, dass es grundsätzlich besser sei, während des Retreats überhaupt keine Worte zu verwenden, und dass alle geistigen Aktivitäten für den Buddha-Dharma schädlich seien.

Dôgen hat an anderer Stelle herausgearbeitet, dass es durchaus bestimmte Situationen geben kann, in denen ein Meister den Buddha-Dharma am besten ohne Worte lehrt. Dass man überhaupt keine Worte verwenden dürfe, sei aber nicht richtig und stelle ein tiefgehendes Missverständnis der wahren Absicht Gautama Buddhas dar. Dôgen würde diesen Menschen zurufen:

Gib mir das Sommer-Sitzen von 90 Tagen zurück!“

Er will damit ausdrücken, dass solche Teilnehmer den Wert des Retreats nicht richtig einschätzen können und nicht daran teilnehmen sollten. Laut der Legende hat Buddha zu Ananda gesagt, dass er das Thema lehren solle:

„Alle Dharmas sind jenseits von Erscheinen, alles Dharmas sind jenseits von Vergehen.“

Daraus sei eindeutig ersichtlich, dass während des Sommer-Retreats Lehrreden gehalten werden sollten, und Ananda war in der Tat ein ganz hervorragender Schüler, der später auch der zweite Nachfolger im Dharma von Gautama Buddha wurde. Er hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis für alle Dharma-Reden und war für deren spätere mündliche Fassung und schriftliche Überlieferung von unschätzbarem Wert.

Buddha hatte Ananda bei der Dharma-Rede zu dem genanntem Thema maßgeblich geholfen und ihn unterstützt. Dieses Thema ist für den Buddha-Dharma von größter Bedeutung, da es die lineare Zeitvorstellung überwindet und den Augenblick des Hier und Jetzt, in dem es kein Entstehen und Vergehen gibt, in den Mittelpunkt stellt.

Diejenigen, die am Sommer-Retreat nicht teilnehmen, bezeichnet Dôgen als Nicht-Buddhisten und unterstreicht damit, welch hohen Stellenwert er dem Retreat beimisst. Es sei die höchste Wahrheit von Praxis-und-Erfahrung.

Im Folgenden erteilt Dôgen sehr konkrete Ratschläge und Hinweise für das Sommer-Retreat. Er zitiert einen Meister, der zum Beispiel darum bat, dass die Praktizierenden einen halben Monat vorher in das Kloster kommen sollten, um alle Vorgänge, Rituale, Aufgaben und Arbeiten rechtzeitig und in Ruhe einzuüben, damit während des Retreats keine Hektik und kein Durcheinander entsteht.

Mit Beginn des ersten Übungs-Tages blieben die Mönche beim Retreat in den Mauern des Klosters und verließen es nicht mehr. Meistens wurden dann die Haupttore geschlossen. Dôgen lehnt die Meinung einiger Zeitgenossen ab, dass das 90-Tage-Retreat im Sommer nur eine Angelegenheit des frühen Hînayâna-Buddhismus sei und im Mahâyâna keine Bedeutung mehr habe, denn es gäbe nur einen einzigen authentischen Buddhismus.

Er beschreibt dann, dass der leitende Mönch für jeden einzelnen Teilnehmer eine Tafel vorbereitet, auf der zum Beispiel geschrieben steht, wie häufig der betreffende Mönch bereits an Retreats dieser Art teilgenommen hat. Außerdem schildert Dôgen verschiedene organisatorische Einzelheiten und Formulierungen für die Tafeln und Papier-Aushänge. Dabei werden beispielsweise die Äbte anderer Tempel besonders erwähnt.

Er führt auch ganz genau auf, welche Aufgaben von welchen Verantwortlichen geplant und durchgeführt werden, und wer bei welcher Veranstaltung anwesend sein soll. In ähnlicher Weise stellt er besondere Tage des Retreats vor: So werden die Mönche am 13. Tag nach dem Mittagessen in ihrem Schlafsaal mit Tee und Kuchen bewirtet und rezitieren Sûtras.

Durch diese präzisen Beschreibungen der Einzelheiten und des Ablaufs des Sommer-Retreats hat Dôgen dessen Einführung in Japan exakt festgelegt und überliefert. In den vielen Tempeln, die sich nach seinem Vorbild in Japan entwickelt haben, fand man infolgedessen einen sehr ähnlichen Aufbau und Ablauf vor. Deshalb war es zum Beispiel nicht schwierig, das Kloster für die Teilnahme am Retreat zu wechseln.

Dôgen betont, dass keiner der Mönche zu Überheblichkeit neigen dürfe, sondern seine Übungen und Aufgaben sorgsam und bescheiden durchführen müsse. Dabei solle den Anfängern geholfen werden und keiner solle sich brüsten, dass er selbst fehlerlos sei. Nur in einer Atmosphäre der gegenseitigen Unterstützung, Achtung und Bescheidenheit kann im großen Sommer-Retreat der wahre Buddha-Dharma wirklich erlebt und erfahren werden. Besonders wichtig sind dabei auch die gemeinsamen Rezitationen, die einen Geist der Gemeinsamkeit, der Hochachtung und Wertschätzung der buddhistischen Lehre und der rezitierten Gedichte beinhalten. Es geht, so Dôgen, nicht darum, hart und asketisch zu praktizieren, um in Zukunft die Erleuchtung zu erlangen, sondern darum, richtig Zazen im Augenblick zu praktizieren, denn das ist gerade die Erleuchtung. Aus diesem Grund erklärt er:

„Dem Retreat zu begegnen, ist Buddha zu begegnen. Das Retreat zu erfahren, ist Buddha zu erfahren. Das Retreat zu praktizieren, ist Buddha zu praktizieren. Das Retreat zu hören, ist Buddha zu hören. Das Retreat zu erlernen, ist Buddha zu erlernen.“

Die unmittelbare Erfahrung und Praxis des Sommer-Retreats bedeuten nach Dôgen lebendiges Erleben und Erfahren im Augenblick, wenngleich die äußere Form und Rollenverteilung durch die authentische Übertragung festgelegt sind. Er hält es für sinnvoll, dass die Teilnehmer am Ende des Retreats noch einmal ihre eigenen Fehler bedenken und voreinander offenlegen. Sie bitten damit die anderen um Verzeihung und schaffen die Voraussetzung für den weiteren Lernprozess.
Zum Schluss dieses umfangreichen Kapitels fasst Dôgen zusammen:

„Dies ist die alte Überlieferung, wie wir in den Schätzen von Buddha, Dharma und Sangha verweilen und sie bewahren. Es ist Buddhas (direkte) Lehre und Unterweisung.“

Montag, 12. Oktober 2009

Das große Retreat der Sommer-Praxis (Ango), Teil 2

Im dem Gedicht wird die aufrechte Sitzhaltung der Zazen-Praxis auf dem Sitzkissen, dem Zafu, und dem flachen Untergrund beschrieben, wobei das Rückgrat senkrecht nach oben gestreckt ist und das gesamte Knochengerüst des menschlichen Körpers aufgerichtet wird.

Danach wird geschildert, dass wir einen konkreten Raum einnehmen, denn unser Körper hat eine räumliche Ausdehnung, und gleichzeitig sind wir auf diese Weise mit der Umgebung und dem Universum zu einer Einheit verbunden. Dadurch wird der gewöhnliche Dualismus zwischen mir selbst, als dem handelnden ´Subjekt´, und der Umgebung sowie den anderen Praktizierenden aufgehoben. Diese Zazen-Praxis stellt nach Nishijima Roshi die erste Erleuchtung dar, also die Einheit im Gleichgewicht von Körper, Geist und Universum.

In der vierten Zeile des Gedichtes vergleicht Tendô Nyojô die Überwindung dieser Unterscheidungen des Geistes mit einem schwarzen Lackeimer, bei dem keine Trennungen mehr zu erkennen sind. Nishijima Roshi und Cross erläutern, dass durch dieses Gedicht das einfache und klare Handeln des Zazen im gegenwärtigen Augenblick und in der konkreten Situation des Hier und Jetzt genau beschrieben wird.

Zurück zum Retreat: Auch in der heutigen Zeit gibt es bei der Sesshin einen konkreten Tagesablauf mit praktischen Arbeiten im Garten oder im Kloster, zum Beispiel zur Vorbereitung der Mahlzeiten. Diese werden zu bestimmten Zeiten gemeinsam mit dem leitenden Meister eingenommen. Jeder Teilnehmer bekommt dabei seine eigenen Ess-Schalen und Ess-Stäbchen.
Diese Mahlzeiten verleihen dem Tagesablauf zusammen mit den Perioden des Zazen eine klare und gute Ordnung, sie sind Handeln in der Gemeinschaft mit verschiedenen Aufgaben und Rollen und werden mit Achtsamkeit, Ruhe und natürlicher Klarheit durchgeführt. Auch den Speisen selbst wird eine große Aufmerksamkeit zuteil, denn die Zutaten werden mit Bedacht und Sachkenntnis ausgewählt und sorgfältig zubereitet. Daher ist das Essen in den Klöstern und bei den Retreats meist besonders schmackhaft und bekömmlich.

Dôgen beschreibt die 90 Tage des Sommer-Retreats folgendermaßen:

„Sie sind die Gehirne und wirklichen Gesichter der Buddhas und Vorfahren im Dharma und (das Retreat) wurde direkt durch ihre Haut, ihr Fleisch, ihre Knochen und ihr Mark erfahren. Indem wir die Augäpfel und Gehirne der buddhistischen Vorfahren im Dharma aufgreifen, haben wir sie zu den Tagen und Monaten des Sommer-Retreats von 90 Tagen gemacht.“

Mit diesen Worten wird die unauflösbare Verbindung mit den Buddhas und Meistern sehr handfest und konkret ausgedrückt.

Das Sommer-Retreat ist tatkräftiges Handeln und Selbstkontrolle, die Dôgen als „Ring durch die Nase“ bezeichnet. Damit ist das Symbol eines arbeitsamen und friedlichen Wasserbüffels gemeint. Außerdem bezeichnet er das Sommer-Retreat als eine Höhle, die man vor allem dazu benutzt, um in die Freiheit zu springen, nämlich die Freiheit von seinem alten Ich mit dessen „Denknestern“ und Begrenzungen. Für Dôgen sind die Vorfahren im Dharma beim Retreat anwesend und nicht verstorbene alte Meister, die keinen Bezug mehr zum Handeln der Gegenwart haben. Er zitiert einen alten Meister:

„30 Jahre lang gehe ich den Weg eines Bergmönchs, ich sehe 90 Tage als einen Sommer. Es ist unmöglich, einen Tag hinzuzufügen. Es ist unmöglich, einen Tag wegzunehmen.“

Damit will er unterstreichen, dass dieses Retreat das Wichtigste und der Kern des Sommers ist und auf keinen Fall nur als eine bestimmte Zeitstrecke mit gewissen Aufgaben, Verpflichtungen und Aktivitäten erlebt werden sollte. Wenn man die Zeit nur intellektuell versteht und abzählbar in Stunden und Minuten misst, kann man, so Dôgen, den Sinn des Retreats nicht erfassen. Versteht man die Zeit nur linear, dass sie also kommt und geht und aus der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft wandert, kann man nicht im Hier und Jetzt handeln. Das ist nur möglich, wenn man ganz im Augenblick der Gegenwart lebt. Im Kapitel 11, „Die Sein-Zeit der Wirklichkeit im Hier und Jetzt“, hat Dôgen dies klar herausgearbeitet. Er erläutert:

„(Die 90 Tage) sind jenseits von denkender Unterscheidung, sie sind jenseits von nicht-denkender Unterscheidung. Sie sind nicht auf einen Zustand begrenzt, der jenseits von Denken und Nicht-Denken ist.“

Sie sind daher nur das einfache und natürliche Handeln selbst.

Freitag, 2. Oktober 2009

Das große Retreat der Sommer-Praxis (Ango), Teil 1

In Indien dauert die Regenzeit im Sommer etwa drei Monate, also 90 Tage, und zu Gautama Buddhas Zeiten war es dann kaum möglich, von einem Ort zum anderen zu wandern, weil die meist unbefestigten Straßen und Wege aufgeweicht und unpassierbar waren. Deshalb hielt sich Buddha während dieser Periode mit einigen seiner vertrauten Schüler an einem bestimmten Ort auf. Dort wurden kleine Hütten gebaut, die Schutz boten und den Regen einigermaßen abhielten, sowie eine größere, einfach konstruierte Vortragshalle mit einem festen Dach, das man gewöhnlich aus Schilf oder Bananenblättern herstellte. In dieser Zeit der intensiven Übungspraxis hielt Buddha auch viele seiner später aufgezeichneten berühmten Dharma-Reden.

Damals existierten noch keine festen Klöster, wohin sich die Meister und Lehrer zurückziehen konnten. Die Mönche hießen „Hauslose“ und wanderten umher oder sammelten sich um einen Meister. Die dreimonatige Pause auf ihren Wanderungen war demnach vor allem durch die schwierigen Witterungsbedingungen des Monsuns vorgegeben. Im Jahresablauf nahm diese intensive Phase der Lehre und Praxis jedoch einen wichtigen Stellenwert ein, denn sie ermöglichte eine Stärkung auf dem buddhistischen Übungsweg.

Es war üblich und auch gern von Buddha gesehen, dass die Laien aus der Umgebung bei den Dharma-Vorträgen anwesend waren und auf diese Weise einen längeren, unmittelbaren und lebendigen Kontakt zu ihm und seinen Schülern aufbauen konnten. Meistens wurde für die Regenzeit ein Ort gewählt, der in der Nähe eines größeren Dorfes oder einer Stadt lag, wo die Mahlzeiten von den Einwohnern am Morgen und Mittag erbettelt werden konnten.

Durch Bodhidharma wurde der indische Buddhismus nach China gebracht, wo man an der Überlieferung eines dreimonatigen Sommer-Retreats festhielt, obgleich die Witterungsbedingungen dies nicht unbedingt erfordert hätten. In China waren viele feste Klöster erbaut worden, die Dôgen auch genau beschrieben und in der gleichen Bauweise in Japan eingeführt hat. Der Sommer war in China zwar heiß und oft schwül, aber doch eine angenehme Jahreszeit, da die Klöster meist in Bergregionen lagen, in denen es im Winter allerdings bitterkalt wurde.

Gegen die Mücken und Moskitos, die im Sommer die Menschen plagten, wurde in der Zazen-Halle an mehreren Stellen Räucherwerk verbrannt, um von Insekten ungestört die vielen Sitzperioden durchführen zu können. Dieses Räucherwerk ist jedoch nicht mit den wohlriechenden Räucherstäbchen der Zeremonien zu verwechseln, die auch vor dem Standbild Buddhas oder eines großen Bodhisattva verbrannt wurden.
Die Mönche hatten in den damaligen Klöstern meist schwere körperliche Arbeit zu leisten, sodass im normalen Alltag außerhalb des Retreats für die Zazen-Praxis und die Dharma-Lehren zwar ein gewisser zeitlicher Rahmen zur Verfügung stand, der aber in die umfangreichen Arbeitsperioden eingegliedert werden musste.

Im Gegensatz dazu stellten die Praxis und Lehre während des Sommer-Retreats den wichtigsten Inhalt des Tages dar. Diese Zeit gab den Praktizierenden einen kräftigen Schub auf dem Weg des Buddha-Dharma. Die Mönche in den Klöstern genossen auf diese Weise erhebliche Privilegien gegenüber den Laien, die überwiegend in der Landwirtschaft und im Handwerk arbeiteten und meistens von morgens früh bis abends spät eingespannt waren.

Von einer 40-Stunden-Woche, die heute in den Industrieländern üblich ist, konnte bei den Laien in China und Japan überhaupt nicht die Rede sein. Daher blieb ihnen wenig Zeit für die buddhistische Lehre und Praxis und nicht zuletzt forderte die schwere Arbeit fast ihre gesamte Lebenskraft und Energie. Am Abend waren sie meist total erschöpft, sodass es sehr schwierig war, vor dem Schlafengehen noch Zazen zu praktizieren.

Dôgen führte die intensiven dreimonatigen Retreats nach seiner Rückkehr aus China auch in Japan ein. In diesem Kapitel beschreibt er ganz genau deren Aufbau und Ablauf. In diesen drei Monaten war das Kloster der einzige Lebens- und Arbeitsraum der Mönche. Wie stehen wir heute zu derartig langen Retreats oder Sesshins? Nishijima Roshi betont, dass es sehr wichtig ist, jeden Tag zweimal Zazen zu praktizieren, und rät uns, jeweils 30 bis 45 Minuten zu sitzen. Diese Zeit konnten die Laien damals in China und Japan gewiss nicht aufbringen.

Gleichwohl misst er den Retreats auch heute noch eine große Bedeutung zu, wenn sie mit der täglichen Praxis und dem Studium der Lehre verbunden werden. Für die meisten von uns wird es allerdings schwierig sein, drei Monate im Jahr aus dem Berufsleben und den Verpflichtungen in der Familie auszusteigen, um sich in dieser Zeit für die Praxis in ein Kloster zurückzuziehen. Daher sind die Retreats heute auf einige Tage oder maximal zwei bis drei Wochen beschränkt. Umso wichtiger ist dementsprechend die tägliche Übungspraxis, damit ein kontinuierlicher Lernprozess stattfindet. In der Dôgen-Sangha dauerte das Retreat des Jahres 2008 im Kloster Tokei-in bei Shizuoka vier Tage.

Es umfasste jeweils sechs Sitzperioden und zwei Dharma-Vorträge pro Tag, einschließlich ausführlicher Diskussion. Die erste Sitzperiode am Morgen und die letzte am Abend dauerten jeweils 45 Minuten; die anderen gliederten sich in zwei Blöcke von jeweils 30 Minuten Zazen-Praxis und 20 Minuten Kinhin-Gehen.
An den Anfang des Kapitels stellt Dôgen folgendes Gedicht von Tendô Nyojô:

„Wir richten unsere Knochen auf dem flachen Boden nach oben aus,
(Jeder von uns) gräbt eine Höhlung im Raum,
Wir gehen direkt durch das Tor des Dualismus hindurch
Und ergreifen den schwarzen Lackkübel, (der ohne Unterscheidung ist).“