Dienstag, 11. Mai 2010

Zazen-Praxis als Tor zur Befreiung


Nach Auffassung des Zen-Buddhismus ist im Einklang mit Gautama Buddha die Zazen-Praxis unbedingt erforderlich, um aus der Welt der Gedanken, Illusionen, Hoffnungen, Depressionen und Selbstinszenierungen herauszufinden und klar zu erkennen, dass es sich dabei um Denkprozesse in unserem Gehirn und nicht die Wirklichkeit handelt. Dies wird umso schwerer, wenn Gier und Hass nicht mehr steuerbar sind und zur Triebfeder mentaler Prozesse und des Handelns werden.

Der Begriff „Zazen“ wird in den authentisch überlieferten Texten des frühen Buddhismus allerdings nicht erwähnt. Dennoch lässt sich dieser Zusammenhang herstellen. Im großen Sûtra der Achtsamkeit werden vier Stufen der Vertiefung, die in Sanskrit Samâdhi heißen, aufgezählt. Die vierte Stufe ist nach Dôgen „der König der Samâdhis“.
In der Zazen-Praxis lassen wir die Vorstellungen, Illusionen und Täuschungen von Körper und Geist fallen und erleben „den Frieden und die Freude des Dharma“. Daraus erwachsen starke korrigierende und heilende Kräfte in unserem Leben, sodass die Anhaftungen oder das Anhangen, wie es Peter Gäng nennt, aufgehoben werden. Dadurch ändern sich natürlich nicht alle objektiven Gegebenheiten unseres Lebens, aber sie erhalten einen neuen Glanz und eine neue Freiheit.
Dies ist eine zentrale Botschaft Gautama Buddhas, die in alle Welt ging und so viele Anhänger gefunden hat.
Nach Nishijima Roshi kann man die Vorgänge beim Zazen durch die moderne Physiologie als Gleichgewicht des vegetativen Nervensystems interpretieren, das genau dem Mittleren Weg im Buddhismus entspricht. Dieses Gleichgewicht ist gekennzeichnet durch eine kraftvolle und ruhige Energie. Keinesfalls sollte die Zazen-Praxis als schmerzhafte Askese betrieben werden.
Dôgen und Nishijima Roshi betonen, dass es ohne diese Praxis kaum möglich ist, im Einklang mit der buddhistischen Ethik zu handeln und zu leben. Tatsächlich ist es immer wieder erstaunlich, wie Menschen das eigene, falsche und oft egoistische Handeln und Denken begründen und dabei scheinbar stichhaltige, moralische Gründe anführen, die jedoch im Kern unwahr sind. Wie viele Menschen zeigen moralisch entrüstet auf das Handeln anderer und sind gleichzeitig kaum in der Lage, ihren eigenen Motiven auf die Schliche zu kommen, die ihr Denken und ihre Emotionen wirklich antreiben. Daraus können wir ableiten, dass die Lebensphilosophie des Denkens, der Lehre und Theorie allein nicht ausreicht, um unsere Probleme wirkungsvoll angehen zu können. Mit dem eigenen Denken allein ist es überhaupt nicht möglich, Verdrängungen aufzulösen, also im Sinne der Psychoanalyse aus dem Unbewussten ins Bewusstsein zu holen und dadurch die Bewältigung des Lebens zu verbessern. Zazen ist der richtige Weg, um das eigene Pseudo-Ich zu verlassen.