Freitag, 29. April 2011

Zazen ist die Befreiung des Geistes von Denk-Objekten

Dōgen fasst den wirklichen Zustand im Zazen prägnant zusammen:

alles Denken, alle Wahrnehmung und alles, was uns sonst quält, bewegt oder antreibt, vergessen wir und lassen es fallen. Auch eine mentale Unterscheidung zwischen Täuschung und Erleuchtung habe keine Bedeutung. Durch die Erfahrung der Wirklichkeit selbst werde die Unterscheidung von Heiligem und Gewöhnlichem ebenfalls gegenstandslos. Sie wäre nur „Futter“ für unseren denkenden und unterscheidenden Geist, könnte den Dualismus nicht verlassen und würde uns wohl in unnötige Emotionen treiben.



Das große Erwachen und die große Wahrheit werden nach Nishijima Roshi unmittelbar in der Zazen-Praxis erfahren und



wir können anfangen, uns in vollständiger Freiheit zu bewegen, wir empfangen und benutzen die große Wahrheit“



des Buddha-Dharma. Dieses unmittelbare Handeln macht noch so intelligente Diskussionen über die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit von bestimmten spirituellen Theorien und Schulen innerhalb des Buddhismus weitgehend überflüssig.



Zazen ist die umfassende Einheit von buddhistischer Lehre und Praxis, die zum ersten Mal durch Meister Bodhidharma aus dem indischen authentischen Buddhismus nach China gebracht wurde und dort zunächst wenig Unterstützung fand. Als Bodhidharma in China ankam, war zwar der Buddhismus schon recht weit verbreitet und auch der damalige Kaiser Bu war anfänglich hoch erfreut, einen authentischen indischen Meister zu empfangen, aber das Verständnis für ihn war doch recht gering.



Es wird berichtet, dass Bodhidharma zweimal in akute Lebensgefahr geriet, weil er von einigen als Konkurrent oder Feind des etablierten Buddhismus bekämpft wurde. Er zog sich daraufhin in die Gegend des heutigen Shaolin-Klosters zurück und praktizierte dort unbeirrt den authentischen Buddhismus, bis schließlich einige Schüler zu ihm kamen.





Damit wurde die Blüte des Buddhismus in China begründet.



Auch in Japan war Zazen völlig unbekannt, bis Dōgen diese Übung aus China mitbrachte und intensiv lehrte. In der vorhergehenden Generation hatte Meister Esai zwar die Kōan-Methode des Zen aus China in Japan eingeführt, aber diese unterscheidet sich von der Zazen-Praxis, bei der unser Geist sich von Gedanken, Paradoxien und theoretischen Problemen entleert. Zazen ist also eine recht einfache Praxis, die nicht schwer zu lernen ist und erkennbar positive Wirkungen hat.



Der Zen-Buddhismus ist keine neue Erfindung oder isolierte Entwicklung im alten China, sondern er markiert die Einführung des authentischen indischen Buddhismus in China: die Einheit von Theorie, Praxis und Ethik.

Sonntag, 24. April 2011

Zazen ist mehr als der Fingerzeig auf den Mond

Dōgen arbeitet im Shôbôgenzô eindrucksvoll heraus, dass es auf dem Weg um die Wirklichkeit selbst geht, und fordert, dass man den Boden, die Steine, den Sand und die Kieselsteine wahrhaft und ganzheitlich erfassen muss. Selbst die berühmten Worte „Der Geist hier und jetzt ist Buddha“ zeigen nur auf die Wirklichkeit, sind also sozusagen nur


der Finger, der auf den Mond oder hier auf die Buddha-Wahrheit zeigt, nicht aber die Wirklichkeit selbst.


Gleiches gilt für die Aussage zum Zazen: „nur zu sitzen, bedeutet Buddha zu werden“. Damit sollen auf keinen Fall die buddhistische Lehre und die genannten berühmten Zen-Zitate abgewertet werden – ganz im Gegenteil. Aber sie sind der Wegweiser auf dem Buddha-Weg und nicht die Verwirklichung und das Erwachen selbst. So aussagekräftig und prägnant Worte auch sein mögen, wir sollten uns von ihnen nicht einfangen und von der Wirklichkeit des wahren Selbst, der anderen Menschen, der Umwelt und des Universums trennen lassen.


Für diesen ganz wichtigen Lernschritt empfiehlt Dōgen ohne jede Einschränkung die Zazen-Praxis. Wir müssen uns durch Handeln verwirklichen, das Vertrauen auf die wahre buddhistische Lehre ist dabei eine ganz wichtige Hilfe!


Um es noch einmal zusammenzufassen: Gedanken und Ideen sind etwas anderes als die buddhistische Wahrheit selbst, die wir selbst erfahren und erleben. Dōgen bezeichnet die Ideen gern als „Blumen im Raum“ und meint damit wundervolle Vorstellungen und Imaginationen, die wir – verbunden mit schönen Gefühlen – selbst in unserem Gehirn erzeugen. Dies erläutert er detailliert im Kapitel „Die wahre Bedeutung der Blumen im Raum“. In diesem Zusammenhang ist auch das Kapitel „Die Wirklichkeit des Mondes“ wichtig.


Die anderen bedeutenden theoretischen Inhalte der buddhistischen Lehre, zum Beispiel die Kette der zwölf Glieder von Ursache und Wirkung, stellen in diesem Sinne ebenfalls einen „Fingerzeig auf den Mond“ der Wirklichkeit dar, aber sie sind noch nicht die Wirklichkeit selbst. Wir können sogar endlos über theoretische Konzepte diskutieren und beispielsweise erörtern, ob es eine Buddha-Natur gibt oder nicht. Indem wir diese theoretischen Bereiche des Buddha-Dharma erlernen oder gar auswendig lernen, können wir uns die Wirklichkeit oder Wahrheit zwar vorstellen, aber nicht realisieren. Dazu ist vor allem die Praxis des Zazen und das großartige eigene Erleben erforderlich.


„Wenn wir auf der anderen Seite allein im Zazen sitzen, das hier und jetzt vollständig auf der authentischen Haltung des Buddhas beruht, und die unzähligen Dinge loslassen, dann überschreiten wir die Bereiche von Täuschung, Verwirklichung, Emotion und Denken. Wir werden nicht von den (Fragen und) Wegen des Gewöhnlichen und des Heiligen beunruhigt. Wir wandern sofort außerhalb der (engen gedanklichen) Grenzen und empfangen und nutzen den großartigen Zustand der Bodhi-Wahrheit. Wie könnte man das mit denjenigen Menschen vergleichen, die in der Falle der Worte gefangen sind?“

Samstag, 16. April 2011

Echte oder gekünstelte Zen-Praxis

Liebe Freundinnen und Freunde des ZEN,

nachdem ich aus dem Urlaub zurück bin, möchte ich nun den Berliner Dogen-Blog fortsetzen.

Viel Freude beim Lesen!

Yudo.



Ein Kritiker fragt:



„Was ist denn so hervorragend bei der Praxis, die du allein empfiehlst, dass die anderen (Praxisformen) ausgeschlossen werden?“



Dōgens Antwort lautet:



„Denkt daran, dass wir als Buddhisten nicht die Überlegenheit oder Unterlegenheit bestimmter Philosophien diskutieren und nicht zwischen Oberflächlichkeit und Tiefe im Dharma auswählen sollten. Wir müssen nur wissen, ob die Praxis echt oder unecht ist.“



Dōgen möchte sich nicht lange mit theoretischen Diskussionen über bestimmte Philosophien und buddhistische Schulen aufhalten, sondern für ihn ist entscheidend, ob die Zazen-Praxis echt und authentisch oder gekünstelt und unecht ist. Nishijima Roshi betont in diesem Zusammenhang, dass die Philosophien des Idealismus und Materialismus ungeeignet sind, um auf dem buddhistischen Weg der Wahrheit zu gehen. Wer auf diese Lebensphilosophien allein fixiert sei, könne kein Buddhist sein. Allerdings stellt er fest:



„Diese wichtige Erkenntnis ist heutzutage nicht einmal in unseren eigenen buddhistischen Gruppen und Linien immer ganz klar im Bewusstsein.“



Deshalb verweist er auf Meister Nāgārjuna, der die bedeutende Grundlage des Buddhismus im ersten Vers seines Werkes „Gesang des Mittleren Weges (MMK)“ unmissverständlich benennt. Buddhismus muss man beide einseitigen Lebensphilosophien überwinden und die maßgebliche Dimension des Handelns und des Gleichgewichts erreichen. Nishijima Roshi ergänzt hierzu:



„Wenn wir es nicht schaffen, die Lebensphilosophie des Handelns zu verwirklichen, können wir auch niemals die buddhistische Philosophie wirklich ergründen.“



Dies sind in der Tat klare und mutige Aussagen, die sich an diejenigen buddhistischen Übertragungslinien richten, die in Gefahr sind, im Ideellen und in der Theorie zu verbleiben. Das Handeln in der Zazen-Praxis und im Alltag wurde im Zen-Buddhismus ganz eindeutig herausgearbeitet. Dabei muss unterschieden werden zwischen dem, was in den Bereich der Ideen und Vorstellungen fällt, und dem, was die handelnde Wirklichkeit im Gleichgewicht ist.