Sonntag, 28. August 2011

Dōgen lehrt den wahren Buddhismus

Nachdem Dōgen aus China im Alter von 27 Jahren zurückgekehrt war, beschloss er, Buddhas authentische Lehre in Japan ohne Verzug zu lehren und zu verbreiten. Er wollte nicht auf ein offizielles Dekret des Königs warten, das damals eventuell notwendig oder zumindest üblich gewesen wäre:

„Welcher Ort könnte nicht ein Buddha-Land (innerhalb) der Grenzen sein, in denen es diese (authentische) Lehre gibt? Wenn wir daher die Lehre der buddhistischen Vorfahren im Dharma verbreiten wollen, ist es nicht immer notwendig, einen (besonderen) Ort auszuwählen oder auf (besonders günstige) Umstände zu warten. Warum sollen wir gerade heute bezweifeln, dass dies (der richtige) Startpunkt (für die Verbreitung) ist? (also nicht zweifeln sondern anfangen!)“

Dōgen bezeichnet eine Region, in welcher der Buddha-Dharma verbreitet wird, als „Buddha-Land“. D. h. auch das heutige Deutschland ist insofern Buddha-Land, weil wir Zugang zum authentischen Buddhismus haben. Wir können nämlich davon ausgehen, dass wir wirklich verlässliche Übersetzungen der Sutras und vieler buddhistischen Schriften zur Verfügung haben, z. B. aus dem ZEN, frühen Buddhismus, usw.. Die anderen jeweiligen Merkmale der Regionen neben dem Buddhismus erscheinen Dōgen weniger wichtig. Deshalb fasst er den klaren Entschluss, dass die Verbreitung seiner in China gesammelten praktischen und theoretischen Erfahrungen und Kenntnisse dort erfolgen soll, wo er sich jetzt gerade befindet.

Man brauche dafür keinen bestimmten Ort auszuwählen, der besonders geeignet erscheine, sondern man könne und solle überall und sofort beginnen, ohne auf besonders günstige Umstände zu warten.
Nishijima Roshi sagt dazu:

„Der jetzige Augenblick ist genau die richtige Zeit für uns, (sofort mit dem Buddhismus) zu beginnen.“ Und er fährt fort: „Ich finde die obigen Worte (Dōgens) besonders spannend, denn im Buddhismus gibt es keine andere wirkliche Zeit als den gegenwärtigen Augenblick, der real existiert.“

Voraussetzung für die Verbreitung der Lehre durch einen Meister ist natürlich, dass er den wahren Buddha-Dharma in Theorie und Praxis selbst kennt und erfahren hat und daher an andere vermitteln kann und will.
Zum Schluss begründet Dōgen die Entscheidung, seine eigenen praktischen und theoretischen Erfahrungen auch schriftlich niederzulegen. Er möchte sie den Schülern, die ehrlich nach der Wahrheit suchen, verfügbar machen und sie vor falschen und unfähigen Lehrern bewahren, die große Schäden anrichten können.

Diesem Entschluss verdanken wir das große Werk Shōbōgenzō, „Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges“, und andere wesentliche Texte, die er schriftlich ausgearbeitet hat. Es gibt nämlich leider Texte, die nicht vom Meister selbst sondern von den folgenden Schülern verfasst wurden, die nicht immer verlässlich sind. Manche Schüler schreiben nicht selten in Verklärung und einer Art Über-Loyalität dem Meister gegenüber; sie verfälschen damit ungewollt die ursprüngliche Lehre. Dōgen erwähnt an anderer Stelle zum Beispiel falsche oder sogar absichtlich gefälschte Zitate, die angeblich von Daikan Enō stammen. Nicht zuletzt deswegen sind die Schriften von Dōgen für uns von großem Wert, der kaum überschätzt werden kann.

Sonntag, 21. August 2011

Dharma und Zazen in einem Land geringer Ethik

Ein Skeptiker sagt zu Dōgen, dass Japan doch ein kulturell sehr rückständiges Land sei, sodass es dort schwierig ist, die wahre Lehre des Buddhismus zu verbreiten. Weiterhin sei die Moral im damaligen Japan deutlich niedriger als in den menschlich und kulturell hoch stehenden Ländern wie China und Indien. Wie könne daher in Japan überhaupt sinnvoll der unverfälschte Dharma und die Zazen-Praxis gelehrt werden?


Auch im Westen müssen wir uns ehrlich fragen, ob das ethische Niveau nicht viel zu niedrig ist, um den Buddhismus zu lehren. Ist die materielle Gier bei uns nicht viel zu weit verbreitet?

Dōgen teilt zunächst die Einschätzung über seine Landsleute:
„Selbst wenn wir (den Menschen in Japan) den richtigen und gradlinigen Dharma lehren, werden sie Nektar in Gift umwandeln.“
Das ist eine starke Formulierung: „Nektar in Gift umwandeln“! Ruhm und Vorteil seien in Japan das große Ziel der meisten Menschen; Täuschungen und das „Anhangen“ des Geistes durch Gier seien kaum auszuschließen. Aber die Zazen-Praxis ist davon völlig unabhängig und könne von jedem geübt werden. Dafür sei weltliches Wissen und große kulturelle Qualität nicht erforderlich.

Es gibt dazu die berühmten Beispiele aus der Zeit Gautama Buddhas, dass ein geistig beschränkter Mönch durch einen ganz einfachen Vorgang das Erwachen erlebte und dass eine Prostituierte durch das Anlegen des buddhistischen Gewandes, der Kashaya, ebenfalls aus ihren Täuschungen herausfand. Intelligenz und gesellschaftlicher Stand sind für den Buddhismus nicht wesentlich. Maßgeblich sei vielmehr, dass man in der Stille und Ruhe Zazen praktiziert und das richtige Vertrauen in die Übungspraxis hat:

„Obgleich unser Land keine Nation der Güte und Weisheit ist und die Menschen geistig dumpf sind, sollt ihr auf keinen Fall denken, dass es für uns unmöglich ist, den Buddha-Dharma zu erlernen. Darüber hinaus besitzen alle Menschen den wahren Samen der Prajnya-Weisheit im Überfluss. Es ist wohl einfach so, dass wenige von uns (in Japan) den wirklichen Zustand (des Dharma) direkt erfahren haben. Wir sind daher (noch) nicht vorbereitet, ihn zu empfangen und zu nutzen.“

Dōgen schreibt an mehreren Stellen im Shōbōgenzō, dass Japan kulturell nicht zu den führenden Nationen der damaligen Welt gehört, und zählt Indien und China zu jenen überlegenen Kulturbereichen. Aber er lässt das Argument überhaupt nicht gelten, dass Japanerinnen und Japaner deshalb keinen Zugang zum wahren Dharma haben könnten. Nishijima Roshi fasst dieses Zitat sogar als Ermutigung für Japan auf, gerade nicht zu resignieren und auf dem Weg der Buddha-Wahrheit weiterzugehen.

Eine mögliche Hauptursache für die buddhistische Rückständigkeit Japans sieht Dōgen darin, dass es nur wenigen vergönnt war, einen direkten Kontakt zu einem wahren Lehrer und damit zum wahren Buddha-Dharma zu haben. Dies ist nach Dōgen aber die Voraussetzung dafür, den Buddha-Dharma in der Praxis zu erlernen. Deshalb seien viele Japanerinnen und Japaner einfach noch nicht vorbereitet für die wahre buddhistische Lehre. Er war jedoch ganz sicher, dass wirklich alle Menschen die intuitive Fähigkeit zum ganzheitlichen Gleichgewicht und zur Erleuchtung haben.

Samstag, 13. August 2011

Neues Buch zum Umwelt-ZEN




Liebe Freundinnen und Freunde des ZEN,
als alter Umweltschützer war es mir ein großes Bedürfnis, ein Buch über das tiefgründige Wissen zur Natur von Meister Dōgen und die von der modernen Gesellschaft verursachten dramatischen Probleme des Umweltschutzes zu schreiben. Nun ist das Buch fertig. Nach meiner festen Überzeugung müssen wir zu den Wurzeln des Buddhismus zurückkehren, um endlich wieder Frieden und Harmonie mit der Natur zu finden. Denn die Natur ist nicht getrennt von uns, sondern wir sind mit ihr eine Einheit. Wenn wir die Natur zerstören, dann zerstören wir unsere eigene Buddha-Natur!

Neues Buch: Umwelt-ZEN
Im Auge des Zen, Band 3
Von Yudo J. Seggelke
Dieses Buch beschreibt Meister Dōgens tiefes Verständnis der Natur und baut die bisher fehlende Brücke zu den drängenden Problemen des Umweltschutzes. Dazu werden vier zentrale Kapitel aus Dōgens großem Werk Shōbōgenzō ausführlich beschrieben:

Die Stimmen des Tales und die Form der Berge, Die Pflaumenblüten sind die Augen Gautamas, Die Natur und die nicht-empfindenden Wesen lehren den Dharma und Das Sūtra der Berge und Wasser.

Zen-Meister Nishijima, Tokio, sagt dazu: Die Texte von Herrn Prof. Dr. Yudo J. Seggelke sind überaus schön und klar verständlich und bieten zum ersten Mal in deutscher Sprache eine sehr gute und exakte Wiedergabe des Shobogenzo von Meister Dogen und meiner Interpretation seines buddhistischen Denkens.
Broschur: 323 S., 12 Abb.
ISBN 978-3-941380-07-3
Bestellung in jeder Buchhandlung oder über Internet, z. B.:
Amazon

Libri

Mit den besten Wünschen
Yudo J. Seggelke

Sonntag, 7. August 2011

Der zweite gedachte Mensch in uns



Nishijima Roshi sagt zusammenfassend zum Problem von Realität und intellektuellem Denken: „Wir sollten klar den Unterschied zwischen der intellektuellen und wirklichen Welt erkennen.“ Er betont die große Lücke zwischen dem intellektuellen Verstehen eines Satzes sowie der Wirklichkeit und fügt hinzu:

„Ich denke, dass fast alle anderen Philosophien in dieser Welt, außer dem Buddhismus, nicht eine solche wertvolle Dimension der Unterscheidung (zwischen Denken und der Wirklichkeit) überhaupt treffen.“

Handeln und das genaue Beobachten des eigenen und fremden Handelns können wirksam helfen, diesen Unterschied immer klarer zu erfassen. Man lässt sich dann auch nicht so leicht von schönen Worten „einseifen“!
Dōgen bringt dieses Thema auf den Punkt:
„Wir sollten wissen, dass jene Menschen der Vergangenheit und Gegenwart, die den Geist geklärt haben, indem sie die Formen (wirklich) sehen, und die Wirklichkeit realisiert haben, indem sie die Laute (wirklich) hören, (überhaupt) keine intellektuellen Zweifel hatten, nach der Wahrheit zu streben. Genau im Augenblick der Gegenwart gibt es keinen zweiten (gedachten) Menschen.“
Für Dōgen ist es von großer Bedeutung, dass wir grundsätzlich an die Wahrheit in dieser Welt und in unserem Leben glauben und nicht durch Zweifelsucht und dauerndes Kritisieren uns selbst verwirren. Gerade intellektuelle Zyniker sind häufig von Grund auf misstrauisch und kritisieren alles und jeden. Sie verlieren dadurch selbst ihre Freude sowie deren psychische Energie und damit die wesentliche Grundlage ihres eigenen Lebens.

Nach Gautama Buddha ist eine solche Zweifelsucht ein maßgebliches Hemmnis für die Erleuchtung. Zweifelsucht ist etwas ganz anderes als ausgewogene Vernunft und sachlich begründete Kritik. Sie basiert oft auf der Unzufriedenheit mit sich selbst und diese wird dann nach außen auf andere Menschen oder Situationen projiziert.

Dazu kommen dann meist noch die Klage und der moralische Vorwurf, dass es nicht gerecht in der Welt zugehe und sie selbst etwas Besseres verdient hätten. Häufig handelt es sich dabei um mehr oder minder geschickt maskierten Neid. Das bedeutet aber nicht, dass wir naiv und allzu gläubig irgendwelchen angeblichen Wahrheiten hinterherlaufen, sondern wir sollten selbst einen klaren Geist entwickeln, um erkennen zu können, was zur Wahrheit gehört und was nicht.
Dōgen führt einige Beispiele an, dass Menschen sogar zur Wahrheit gefunden haben, ohne dass sie, wie er es sonst lehrt, intensiv Zazen praktizierten. Aber sie hätten das tiefe Vertrauen in die Wahrheit gehabt und dadurch einen Wegweiser durch alle Verwirrungen und Täuschungen des Lebens besessen. Wir sollten uns der Mode-Erscheinung nicht anschließen, alles und jedes zu bezweifeln und uns damit interessant machen. Das ist nicht lange interessant, sondern stößt andere Menschen bald ab.
Sehr wichtig ist, dass es in uns „keinen zweiten Menschen“ gibt. Was bedeutet diese eigenartige alte chinesische Formulierung? Nishijima Roshi erläutert sie: „Es ist wichtig, keinen Zweifel an der Wahrheit zu haben und keine Spaltung in unserer eigenen Person (also in uns selbst) zu haben.“ Wir sollen also nicht quasi aus zwei Menschen bestehen, denn dann verfügen wir über kein inneres Gleichgewicht. Eine Unterscheidung in ein spirituelles Ich und ein physisches, körperliches Ich bewirkt zum Beispiel, dass wir keinen Zugang zur Wirklichkeit besitzen.
Wenn man bewusst oder unbewusst nur an die Wirklichkeit der Ideen glaubt, ist es nicht möglich, ein tragfähiges Vertrauen in die Wahrheit des Lebens, des Handelns und der Welt zu entwickeln. Dann ist letztlich alles rtelativ. Dasselbe gilt, wenn man recht oberflächlich nur an materielle Realitäten glaubt, denn auch Materialisten finden keinen Zugang zur umfassenden Wahrheit.