Mittwoch, 15. Februar 2012

Mit Bemühen gibt es Erwachen



„An vielen Orten werden die Wesen der Sein-Zeit des Landes und des Wassers durch unsere eigenen Anstrengungen (beim Zazen) verwirklicht. Die vielen Arten von Wesen und die vielen individuellen Wesen, die als Sein-Zeit in der Dunkelheit und Helligkeit (leben), sind alle Verwirklichungen unserer eigenen Anstrengung und die Fortsetzung unserer Anstrengung, Augenblick für Augenblick.“

Was will Dōgen damit sagen? Vor allem, dass die Wirklichkeit der Welt durch unsere eigene Wirklichkeit entsteht, die immer die Sein-Zeit ist. Das ist die Überwindung der Dualität durch unsere Praxis, dann verwirklichen wir unser Leben und das Universum! Das ist die Überwindung vieler Arten des Leidens.


Nishijima Roshi hebt ebenfalls hervor, dass es unserer eigenen, fortgesetzten Anstrengung in jedem Augenblick bedarf, damit eine Wirklichkeit oder auch eine nur Sache realisiert werden kann: „In der dunklen und in der hellen Welt sind die vielfältigen Tiere und verschiedenen Menschen durch unsere großen Anstrengungen verwirklicht worden. Sie sind durch die Fortsetzung unserer eigenen Anstrengungen je im Augenblick offenbar geworden.“

Dōgen behandelt dieses Thema ausführlicher im Kapitel über die Verwirklichung des Universums und unseres Lebens (Genjo koan). Ohne unser eigenes Bemühen seien überhaupt keine Verwirklichung und kein Erwachen möglich. Damit macht er eindeutig klar, dass es eine lässige, mühelose Verwirklichung der Sein-Zeit und damit die Erleuchtung nicht gibt. Das Gleichgewicht erreicht man nicht ohne Aufwand und nicht ohne Anstrengung, die sich jeweils im Augenblick durch die Einheit von Praxis und Erfahrung – wie zum Beispiel beim Lotos-Zazen – verwirklicht.

Die Sein-Zeit des Augenblicks kann aber andererseits als Wirklichkeit nicht durch unser falsches Verhalten verhindert oder gebremst werden. Die Augenblicke schreiten voran, ganz gleich, ob wir dies wollen oder nicht. Sie sind einfache Realität. Wenn wir sie verpassen, vergeuden wir das wahre Leben. Das ist genau so, als wenn wir ein teures Konzert besuchen, aber die Musik verpassen, weil wir sie nicht wirklich erleben, sie rauscht an uns vorbei und wir haben nichts davon.

Dōgen greift bei dieser Aussage auf die alten Gleichnisse der himmlischen Götter zurück, die nach der Legende zur Rechten oder zur Linken durch unsere Praxis erscheinen. Diese göttlichen Symbole entstehen aber durch unser eigenes Bemühen, so wie die verschiedenartigen Lebewesen des Landes und der Meere in ihrer Wirklichkeit der Sein-Zeit durch unsere Anstrengung erscheinen. Das ist zweifellos eine unerwartete Aussage für unsere westliche Kultur. Die Götter sind dabei die symbolische Figuren für unser mögliches Glück im Leben.