Montag, 2. Februar 2015

Keine Illusionen und keine Gifte für den Geist



Dōgen sagt in aller Deutlichkeit:

„Außerhalb der dreifachen Welt (der Realität) gibt es keine Lebewesen. Welche Objekte könnten die Buddhas daher lehren? Aus diesem Grund sage ich, dass die Lehre, es gebe eine andere Welt der Lebewesen außerhalb der dreifachen Welt, eine (falsche) Lehre der nicht-buddhistischen Schrift der (sogenannten) ‚Großen Existenz‘[i] ist, aber nicht die Lehre der Sieben Buddhas.“

Damit unterstreicht Dōgen, dass es außerhalb der dreifachen Welt überhaupt keine Wirklichkeit und keine Objekte gibt: der Mut zur Wirklichkeit ist typisch für den Zen, denn illusorische Träume bedienen zwar die unklare Sehnsucht vieler Menschen manchmal zunächst besser als die Realität.

Aber mit Täuschungen und Illusionen kann kein gutes Leben gelingen, sie führen unweigerlich in die Sackgasse!!

Daher tritt Dōgen verschiedenen Glaubenslehren und Dogmen entgegen, die eine jenseitige andere Welt behaupten, die verschieden von der hiesigen Wirklichkeit sei. Es gibt also kein Außen von der dreifachen Welt.

„Genau wie die dreifache Welt kein Außen hat, haben die Lebewesen kein Außen. Was ist der Gegenstand, den Buddhas lehren, an dem Ort, wo es keine Lebewesen gibt?“

Die Buddhas lehren immer die Lebewesen, damit sie aus ihren Schwierigkeiten und Leiden herausfinden und sich befreien. Dies findet nach der buddhistischen Lehre aber immer innerhalb der Wirklichkeit des Hier und Jetzt und damit in der dreifachen Welt statt. Als Bestandteile dieser Welt zählt Dōgen Folgendes auf: Hecken, Mauern, Ziegel, Kieselsteine, Berge, Flüsse und die ganze Erde.

Aber vor allem geht es um die Einheit mit der höchsten Wirklichkeit des Buddha-Dharma, nämlich „die Haut, das Fleisch, die Knochen und das Mark und (Buddhas) Emporhalten einer Blume und (Mahākāshyapas) lächelndes Gesicht.“ Die aufgezählten Begriffe bezeichnen scheinbar materielle und formgebundene Dinge, haben aber in Wirklichkeit eine umfassende und viel tiefer gehende Bedeutung in der Buddha-Lehre und deren authentischer Übertragung.

„Es gibt den bewussten und unbewussten Geist. Und es gibt den Geist, der dem Körper innewohnt, und den Geist, der nicht dem Körper innewohnt.“

Das sind Aussagen, die jeder heutige Gehirnforscher unterschreiben kann: der größte Teil unserer Gehirnleistungen ist unbewusst, aber von großer Bedeutung für ein gelungenes Leben. Wir dürfen diesen Teil nicht vernachlässigen sondern sollten ihn trainieren, z. B. in der Meditation.

Auch Farben und Formen, zum Beispiel lang, kurz, eckig oder rund, sind Teil der genannten Lebensdimension und gehören zu dem umfassenden Geist, der mehr als die Wahrnehmung, das Denken und das Bewusstsein ist. Der Geist in diesem Sinne ist die Wirklichkeit des Lebens selbst. Er ist also Leben-und-Sterben und Kommen-und-Gehen. Nicht zuletzt ist die Zeit unauflösbar mit dem Geist verbunden, und zwar die lineare mechanische Zeit der materiellen Sicht, aber vor allem die existenzielle Sein-Zeit des Augenblicks. Das gibt Klarheit und Weitsicht.

Dōgens Beschreibung des Geistes ist sehr konkret und nicht idealistisch überhöht. Dies ist für uns westliche Menschen vielleicht überraschend und dürfte in unserer Kultur auch auf Widerstand stoßen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns intensiv mit dem Zen-Geist beschäftigen und praxisorientiert erfahren, welche Wirklichkeit damit gemeint ist.

Außerhalb dieser Wirklichkeit gibt es nach der buddhistischen Lehre überhaupt nichts, und die illusorischen Fantasiegebilde oder düsteren pessimistischen Szenarien sind nicht Teil der wirklichen Welt, sie müssen abgestreift und überwunden werden, damit wir zur Befreiung gelangen können.

Wird unser Geist nicht täglich von den Massenmedien mit düsteren, hoffnungslosen und katastrophalen Unwahrheiten der Welt belastet, die mit der dargestellten Wirklichkeit nur entfernt zu tun haben? In Wirklichkeit soll dabei die Illusions-Werbung verkauft werden. Und warum vergiften wir unseren Geist mit brutalen Menschen verachtenden sog. Spielprogrammen? Das ist nicht die buddhistische Wirklichkeit des Zen!






[i] Die Quelle des Zitats ist nicht bekannt. Eventuell handelt es sich um eine generelle Aussage.