Donnerstag, 25. Juni 2015

Meister Eka antwortete mit „Mu“!



Weder die Buddha-Natur noch die Dharma-Natur lässt sich gedanklich voll erfassen, denn sie würden dann nur in der Lebensphilosophie des Idealismus bleiben. Auf dieser Ebene kann man auch zum Beispiel die Frage, ob es die Buddha-Natur gibt oder nicht, überhaupt nicht beantworten und nicht einmal sinnvoll angehen. Es ist die falsche Ebene. Dōgen sagt dazu:

„Der Geist, den die großen buddhistischen Meister ausdrücken (und lehren), ist die Haut, das Fleisch, die Knochen und das Mark. Die Essenz, die die großen buddhistischen Meister bewahren, ist ein Bambusrohr und ein Stab.“

Der Geist umfasst damit die ganze Wirklichkeit des Denkens, Redens, Lehrens, der materiellen Wirklichkeit der Natur sowie das Handeln und ist das erwachte Leben selbst.

Dōgen betont im Hinblick auf den Geist in besonderer Weise das Handeln beim Hören, Darlegen, Praktizieren und Erfahren dieses Zustandes des Geistes. Genau dieses Handeln sei der Geist und die Essenz des Buddhismus:

„(Die großen Meister) bewahren und lernen im Handeln diesen Zustand des Tiefgründigen und Feinen.“

Wer kein solches Verständnis und Erleben hat, taumelt durch die Zeiten seines Lebens und schwankt zwischen Erlangen und Nicht-Erlangen der Wahrheit hin und her. Nach Nishijima und Cross geht es um die intuitive Betrachtung „unmittelbar vor und nach einer Handlung“. Dies sei nichts anderes, als den Geist zu erklären und die Natur darzulegen.[i] Einen anderen Weg und eine andere Möglichkeit gibt es im Buddhismus nicht.

Dōgen zitiert dann den ersten Zen-Meister Bodhidharma, der zu seinem Nachfolger Taiso Eka sagte:

„Wenn du genau die externen Bindungen enden lässt und in deinem Geist keine Unruhe und keine Hektik sind, wird dein Geist wie Hecken und Mauern sein, und du kannst in die Wahrheit eingehen.“

Eka konnte mit diesen Aussagen zunächst nichts anfangen. Aber plötzlich erlangte er eine tiefe Betrachtung und Einsicht und sagte zu Bodhidharma, dass er zum ersten Mal die Bindungen an die Außenwelt beendet habe. Dieser erkannte, dass Eka bereits im Zustand der Verwirklichung und des Erwachens war und wollte von ihm eine genaue Bestätigung dazu haben. Deshalb stellte er die scheinbar entgegengesetzte Frage:

„Du hast die Beendigung (der Bindung an die äußere Welt) nicht verwirklicht. Nicht wahr?“

Eka antwortete mit „Mu“, dessen Bedeutung sich etwa mit dem deutschen Ausdruck umschreiben lässt „nein es gibt nichts“ oder „ich habe nichts“. Mu ist keine einfache Negation und überhaupt keine nihilistische Aussage, sondern verweist auf eine Ebene, die mit simplen Worten und dem unterscheidenden Verstand nicht zu erfassen ist. Sie verweist also auf die Unfassbarkeit des Geistes.

In diesem Sinne äußerte sich auch Meister Eka:

„Ich erkenne es immer sehr klar, daher kann ich es nicht mit Worten ausdrücken.“
Meister Bodhidharma bestätigte daraufhin, dass dies genau die wesentliche Essenz des Geistes ist, die seit der Vergangenheit von den Buddhas weitergegeben wird:

„Nun hast du es erlernt, du musst es jetzt selbst gut bewahren.“




[i] Shobogenzo, englische Fassung, Bd. 3, S. 54, Fußnote 17