Dōgen schätzte den alten
Meister Tozan außerordentlich und betont:
„Er hat die Wahrheit vollkommen erfasst
und verwirklicht, dass den Geist und die Natur der Wirklichkeit zum Ausdruck zu
bringen bedeutetet, den (wahren) Geist und die (wahre) Natur der Wirklichkeit
zum Ausdruck zu bringen.“
Das heißt, er blieb nicht im
unrealen Denken und nebulosen wohl klingenden Reden hängen, sondern war die Wirklichkeit selbst.
Tozans Aussage, dass im
Tempel jemand ist, der den Geist erklärt
und die Essenz darlegt, sei von zentraler Kraft und Wahrheit. Sie sei die
Voraussetzung für die authentische Übertragung auf einen rechtmäßigen
Nachfolger.
Anschließend spricht Dōgen
davon, dass der Geist in der Einheit der konkreten „Existenz eines Menschen“ und der Idee der „menschlichen Existenz“
dargelegt werde. Dies sind die beiden Seiten derselben Wirklichkeit.[i]
Wie unterscheiden sich daher
die beiden Formulierungen im Hinblick auf ihre Bedeutung? Die „Existenz des
Menschen“ bedeutet seine konkrete Realität, sein wirkliches Leben und Handeln im Hier und Jetzt. Demgegenüber ist
die „menschliche Existenz“ etwas Abstraktes und eine Idee. Bei diesem Begriff
abstrahiert man von dem konkreten Menschen und betrachtet die Existenz an sich. Beide, also die Existenz des Menschen und die
menschliche Existenz, müssen aber unbedingt eine Einheit sein, damit der Geist und die Natur wirklich erfahren und
gelehrt werden können, erklärt Dōgen.
Er verstärkt diesen Ansatz,
indem er sowohl für den Geist als auch für die Natur die Einheit von Inhalt-und-Oberfläche, also der äußeren Form, postuliert. Er bittet uns,
diese Einheit sehr genau zu untersuchen und zu bedenken. Der wahre Geist ist niemals
getrennt von der Darstellung und Darlegung, denn sonst wäre er nur ein
abstrakter Gedankeninhalt, der keine reale Komponente in der Form und in der
Natur hat.
Auch die Buddha-Natur ist
nicht von der wirklichen Existenz im
Handeln und Gleichgewicht zu trennen. Sie ist kein ideeller Gedankeninhalt
der Lehre und keine Vorstellung, sondern immer konkret mit dem Hier und Jetzt
verbunden. Die Buddha-Natur ist die konkrete Wirklichkeit mit zwei Aspekten,
dem Inhaltlichen und der äußeren Form.
Dōgen betont, dass die Natur
als Essenz des Buddha-Dharma sich selbst darlegt:
„Jene, die fest davon überzeugt sind,
dass der natürliche Zustand sich selbst darlegt, sind buddhistische Meister und
legitime Nachfolger. Zu sagen, dass der Geist unsicher (und unstetig), aber die
Natur ruhig ist, ist die Sichtweise der Nicht-Buddhisten.“
Dass die Natur selbst die
Wahrheit und den Dharma lehrt, ist auch ein wesentlicher Inhalt der Kapitel im Shōbōgenzō über die Natur. Dōgens
Ausführungen dazu habe ich eingehend in meinem Buch Umwelt-ZEN[ii]
behandelt. Die Natur ist kein getrenntes
Objekt, das der Mensch beobachtet, bedenkt und untersucht, sondern sie ist
die Wahrheit selbst und eine Einheit mit den Menschen, wenn wir die Ebene von
Subjekt und Objekt verlassen. Es geht um die buddhistische Praxis des Geistes
und der Natur und nicht um theoretische Überlegungen.
Dōgen hebt hervor, dass der
Geist und die Natur sowohl von einem Menschen dargelegt werden als auch sich
selbst – unabhängig von einem bestimmten Menschen – manifestieren und die
buddhistische Wahrheit lehren. Allerdings kommt
es vor, dass der Geist und die Natur
fehlerhaft dargelegt und gelehrt werden. Und in diesem Fall ist es
besonders wichtig, dass sich Geist und Natur auch ohne einen Menschen
ausdrücken und selbst die Dharma-Wahrheit lehren.
Wer dies nicht verstanden
habe, so Dōgen, bewege sich auf unfruchtbarem Boden und habe keinen Zugang zur „Quelle des Glücks“.