Sonntag, 13. November 2016

Die freudige Achtsamkeit des Drechslers


Buddha nennt die Arbeit eines Handwerkers, des Drechslers, um die fundamentale Bedeutung der Achtsamkeit zu erläutern. Es ist dabei bedeutsam, dass das Handeln des Drechslers eine ganz praktische und von ihm häufig ausgeführte Tätigkeit ist und nicht in der Abgeschiedenheit eines Klosters vollzogen wird.

Hier ergibt sich eine enge Verbindung zum Zen – Buddhismus, der das praktische Handeln im Hier und Jetzt des Alltags bei Klarheit und ethischer Verantwortung in den Mittelpunkt stellt: „Erleuchtung ist Feuerholz tragen und Wasser schöpfen“ heißt es von einem berühmten Zen – Meister. Eine andere Formulierung lautet: „Ein Tag ohne Arbeit ist ein Tag ohne Essen“, die einem anderen alten Meister zugeschrieben wird, dem die Mönche im Kloster die Werkzeuge zur Bearbeitung der Felder und des Gartens weggenommen hatten, weil sie meinten, er sei zu alt und gebrechlich, um arbeiten zu können.

Der Meister hat daraufhin abgelehnt zu essen, ist also in den Hungerstreik getreten, um klar zu machen, dass er nicht bereit ist ohne seinen machbaren Anteil der Arbeit am Klosterleben und dem Funktionieren des Ganzen weiterzuleben. So musste man ihm sein Werkzeug wieder geben. Die Arbeit war sicher wegen seiner körperlichen Einschränkung nicht in demselben Maße möglich wie bei den jungen kräftigen Mönchen. Ist das wichtig?

Buddha erwähnt dieses Gleichnis im sutta „Grundlagen der Achtsamkeit“ und formuliert:

„Gleichwie ihr Mönche ein geschickter Drechsler oder Drechslergeselle, wenn er lang anzieht erkennt: `ich ziehe lang an`, wenn er kurz anzieht: ich ziehe kurz an`“ .

In derselben Weise solle beim Atmen in der Meditation vorgegangen werden und ein bewusstes klares Beobachten ermöglichen. Deutlich ist dabei auch, dass das Handeln im Vordergrund steht und dass der Geist, die Beobachtung dabei gewissermaßen „mit läuft“ und dadurch das Handeln bewusst wird. Handeln und Geist sind in Wechsel-Wirkung und nicht voneinander zu trennen.

Es ist nicht davon die Rede, dass der Wille und das Bewusstsein allein steuern; der Drechsler muss selbstverständlich eine gründliche lange Ausbildung durchlaufen haben, um die Aufgaben seiner handwerklichen Arbeit genau und präzis durchführen zu können. Es kann für den Drechsler sogar hoch gefährlich werden, denn bei unachtsamer Arbeit kann er sich schwer verletzen!

Es geht darum, sein Handwerk durch permanente Übung und Verfeinerung so weit zu vervollkommnen, dass die Feinkoordinierung mit offenem Geist ohne Schwierigkeiten und Ungenauigkeiten arbeitet und dass dabei der Geist in Achtsamkeit weilt. Dieser wird weder ausgeschaltet oder ist Störfaktor, noch ist er umgekehrt durch Ehrgeiz, Ängste, Doktrinen, Ich – Zentriertheit usw. unkonzentriert. Buddha spricht sogar von unbewussten Bereichen des Geistes, die für ein sinnvolles und erfülltes Leben auch und gerade bei der Achtsamkeit wichtig sind. Dies leuchtet beim Drechsler sofort ein: Die meisten seiner feinmotorischen Steuerungen laufen unbewusst ab und haben sich im Laufe des Übungsweges im neuronalen Netz immer feiner ausgebildet.

Das Wichtige ist also die gute Wechsel-Wirkung von bewusster Achtsamkeit und unbewussten Steuerungen und darauf aufbauender Fähigkeiten. Wie wir aus der Gehirnforschung wissen, werden dabei die speziellen Teilsysteme immer weiter trainiert.

Und wer ganz bei seinem Tun weilt, hat eine tiefe fast unerklärliche Freude, er ist zur Ruhe gekommen: Ruhe in Ruhe, Bewegung in der Ruhe und Ruhe in der bewussten Bewegung.