Donnerstag, 20. Dezember 2007

Die verschiedenen Arten des sozialen Handelns eines Bodhisattvas

Im Buddhismus ist das praktische Handeln zwischen den Menschen und überhaupt im sozialen Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung und wird mit dem Begriff "Bodhisattva-Handeln" gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass man anderen hilft, sie nicht mit Worten verletzt oder erniedrigt, dass man harmonisch und wirkungsvoll zusammenarbeitet und großzügig anderen etwas gibt, ohne dabei letztlich den eigenen Vorteil im Auge zu haben. Wörtlich übersetzt heißt Bodhisattva ein „Wesen auf dem Buddha-Weg, das nach der Wahrheit strebt“, also erwacht ist. Ein solcher Mensch hat das egoistische Handeln zum eigenen Vorteil überwunden, weil dies letztlich niemals zu einem guten Leben führt. Dôgen sagt im Kapitel „Die vier Arten des sozialen Handelns der Bodhisattvas“ (Kap. 45, Bodaisatta shishôbô) im Shôbôgenzô:

"Großzügig zu geben bedeutet, nicht gierig zu sein. Nicht gierig zu sein bedeutet, nicht nach Ruhm und Gewinn zu streben, nicht nach Ruhm und Gewinn zu streben bedeutet im Alltäglichen, dass man sich keine Vorteile (z. B.) durch Schmeichelei verschafft.“

Es wird dann ausgeführt, dass man auch denjenigen Menschen großzügig etwas geben soll, die man eventuell gar nicht kennt und dass man nicht auf sich selbst aufmerksam machen sollte, wenn man jemandem etwas zukommen lassen will, das ihm wichtig ist oder ihm nützt. Es muss sich dabei nicht um wertvolle oder kostbare Dinge handeln, sondern manchmal ist es eine Blume vom Wegesrand, ein kleines Geschenk von unterwegs und nicht zuletzt ein Lächeln, das man geben kann. Dôgen betont, dass man die Eigenschaft, großzügig zu geben, eigentlich von Natur aus schon hat, dass sie nur durch Egoismus und Ich-Bezug überdeckt und verzerrt ist.

Man sollte dabei vor allem den natürlichen Lauf der Dinge und den Herz-Geist unterstützen und durch Geschenke keine Verwirrung stiften; denn übertriebene Geschenke können auch Unheil anrichten, sodass sich die Menschen, die man eigentlich unterstützen wollte, zum Negativen entwickeln. Zum Beispiel könnte sich die Gier der Empfänger verstärken, und wer zu viel bekommt, kann immer gieriger werden. Dann verdunkelt sich sein Geist und die Kritiksucht macht sich breit. Durch das Geben sollten sich vielmehr die Menschen verbinden und eine zwischenmenschliche Einheit bilden.
Vor allem sollten die Schätze des Buddha-Dharma großzügig und ohne Gegenleistung gegeben werden. Dies kann z. B. nur aus einem gut gewählten und helfenden Wort bestehen. Wichtig ist, dass sich alles nach den Bedürfnissen des Empfängers richtet und dieser sich wirklich darüber freut. Beim Geben ist besonders wichtig, keine Belohnung zu erwarten und nicht enttäuscht zu sein, wenn man keine Dankbarkeit erhält.
Dôgen sagt wörtlich:

"Da ihr auf natürliche Weise bereits die Eigenschaft des Gebens besitzt, habt ihr euch selbst so empfangen, wie ihr jetzt seid. Der Buddha sagte, dass man den eigenen Körper empfangen und benutzen sollte."

Dies gilt natürlich besonders im engeren Kreis der Familie, also gegenüber den Eltern, Partnern, Kindern und anderen Verwandten und auch den Freunden, die durch die Hilfe beschenkt werden. Gerade kleine Geschenke können oft große Freude auslösen. Dôgen erwähnt in diesem Zusammenhang besonders, dass durch großzügiges Geben sich der Geist eines Menschen erstaunlich zum Positiven verändern kann, auch wenn der Geist häufig festgefahren und unbeweglich ist. Dôgen sagt:

"Großzügig zu geben bedeutet, dass wir schon beginnen, den Geist der Lebewesen zu verändern, und wir wollen ihren Geist solange verändern, bis sie die Wahrheit erlangt haben." Und weiter: "Dennoch verändert der Geist gelegentlich die Dinge und es gibt das großzügige Geben, wodurch Dinge den Geist verändern."

Er sagt also damit, dass man durch geschenkte Dinge den Geist dazu bringen kann, dass er sich öffnet und bewegt und dass ein beweglicher Geist auch die Dinge und die gesamte Situation fast wie durch ein Wunder verändert.
Für Dôgen ist es sehr wichtig, dass man "gütig und wohlwollend redet" und dass sich auch im Reden Mitgefühl und Wohlwollen ausdrückt. Verletzende und grobe Worte sollen auf jeden Fall vermieden werden, auch wenn es unterschiedliche Meinungen und Ansichten gibt. Wenn die eine Seite aggressiv und erniedrigend redet, solle die andere Seite sich davon nicht anstecken lassen und nicht darauf eingehen. In der Tat sehen Menschen, die sich streiten, eher wie Dämonen aus und verlieren eigentlich ihre menschliche Seite. In Ostasien wird die Höflichkeit beim Reden und Handeln sehr hoch geschätzt und erfahrungsgemäß lassen sich dadurch viele Kontroversen und Auseinandersetzungen vermeiden. Dôgen sagt:

"Ihr solltet die Tugendhaften loben und mit denjenigen Mitgefühl haben, die keine Tugend besitzen."

Das ist im praktischen Handeln des Alltags, im Beruf und in der Familie sicher nicht so einfach und wird aber auch im Christentum durch die Aussage "liebet eure Feinde" ausgedrückt, allerdings ist die Forderung der Liebe sicher noch schwerer zu erfüllen als die des Mitgefühls, der freundlichen Rede und des sanften Umgangs. Wir wollen daran erinnern, dass im Buddhismus gütiges Handeln und moralisches Verhalten auch beim Reden als der natürliche Zustand angesehen werden, während verletzende und böse Worte als unnatürlich und künstlich bezeichnet werden. Man sollte immer versuchen, die Feinde im Guten zu überzeugen und nicht zu bekämpfen, sodass sie ihre Härte und Aggressivität wie von selbst verschwinden lassen können. Bei Freunden geht es darum, eine gute Harmonie zu erzeugen, sodass sich alle wohlfühlen. Dôgen drückt dies wie folgt aus:

"Denkt daran, dass gütige und wohlwollende Worte aus einem gütigen und wohlwollenden Geist-Herz kommen. “Er sagt weiterhin, dass ein derartiges gütiges Reden "die Kraft und die Macht hat, den Himmel zu bewegen."

Was für das Reden gilt, ist auch richtig für das Handeln und gemeinsames Tun. Die Zusammenarbeit bei sinnvollen Aufgaben wird im Buddhismus sehr hoch geschätzt und Nishisjima Roshi betont gern, dass im Handeln selbst am besten zur Wirklichkeit und Wahrheit vorgestoßen werden kann. Wenn dies gemeinsam geschieht, befriedigt das alle außerordentlich, und gemeinsames Handeln kann mehr verbinden als wortreiches Reden, das bekanntlich auch überraschend schnell zu Differenzen führen kann. Dabei sollte nicht unterschieden werden, ob der andere, für den man etwas tut, einen hohen oder einen niedrigen Rang hat und es ist wichtig, sich eine möglichst klare Vorstellung von der guten zukünftigen Entwicklung zu machen und das Handeln darauf auszurichten. Dôgen sagt hierzu:

"Nur unwissende Menschen meinen, dass ihr eigenes Wohl beeinträchtigt wird, wenn sie das Wohl anderer über das eigene stellen."

Hiermit ist das Gute des Bodhisattva-Handelns klar ausgedrückt. Wer nur zum eigenen Vorteil und aus egoistischen Motiven handelt, wird letztlich dabei nicht glücklich und entspannt werden, sondern im Gegenteil, verengt seinen Geist und sein Herz und schadet dann irgendwann hauptsächlich sich selbst. Anderen durch eigenes Handeln sinnvoll zu helfen, ist nach buddhistischer Lehre also für den handelnden Menschen selbst das Beste und bedarf eigentlich gar keiner großartigen Überwindung. Die eigenen vorgestellten angeblichen Nachteile sind eigentlich immer nur durch einen verengten egoistischen Geist erzeugt und entsprechen meist gar nicht der Wirklichkeit.
Dôgen sagt weiter:
"Mit anderen gut zusammenarbeiten bedeutet, nicht gegen sie zu sein."
Durch das Handeln soll also kein Widerspruch und Konflikt entstehen oder gar bewusst erzeugt werden, denn ein solches Handeln ist keine Zusammenarbeit, sondern das genaue Gegenteil. Dabei ist auch die Umgebung und die gesamte Situation der Zusammenarbeit wesentlich, auch die sollte man so weit wie möglich positiv gestalten. Dôgen fährt fort:

"Der Mensch ist der Freund des Menschen, die himmlischen Wesen sind die Freunde der himmlischen Wesen und die göttlichen Wesen sind die Freunde der göttlichen Wesen."

Durch eine gute Zusammenarbeit werden die trennenden Grenzen zwischen den Menschen abgebaut und aufgehoben, sodass ein gemeinsamer Geist für die gemeinsame Aufgabe entsteht. Dies gilt auch und nicht zuletzt für die Zusammenarbeit eines Herrschers mit seinen Bürgern oder der Vorgesetzten mit ihren Mitarbeitern. Auch wenn Mitarbeiter heimlich ihre Vorgesetzten missachten, andererseits aber von ihnen geachtet werden wollen, kann dies auf die Dauer nicht gut gehen.
Schließlich ist zu bemerken, dass die verschiedenen Bereiche der zwischenmenschlichen Beziehungen und des sozialen Handelns nicht jeweils isoliert von einander zu sehen sind, sondern miteinander verbunden wirksam werden. Dadurch entsteht eine Vielfalt positiver Möglichkeiten des Gebens, des Redens, des Handelns und der Zusammenarbeit, die allen zugute kommt.