Samstag, 4. Dezember 2010

Die heilende Bambusnadel des Zazen (Zazenschin)

In größter Verehrung für die Verse des früheren Meisters Wanshi zum Zazenshin verfasste Dôgen sein eigenes Gedicht. Er betont, dass dessen Verse keinesfalls unvollkommen seien, sondern im Gegenteil von höchster Aussagekraft und Schönheit sind.


Er verfasste das im folgenden wiedergegebene Zazenshin und beide haben große Ähnlichkeit. Sie sind das Herzstück des Zen-Buddhismus und die Einzigartigkeit der Zazen-Praxis auf dem buddhistischen Weg für Anfänger, Fortgeschrittene und Meister. Beide Fassungen liegen zeitlich nur 85 Jahre auseinander.
Dôgens Zazenshin lautet wie folgt:

Zentral Wesentliches eines jedes Buddha.
Wesentlich Zentrales jedes wahren Meisters
Jenseits des Denkens: Verwirklichung,
Jenseits der Komplikation: Verwirklichung.

Jenseits des Denkens: Verwirklichung
Die Verwirklichung ist natürlich und unmittelbar.
Jenseits der der Komplikation: Verwirklichung.
Die Verwirklichung ist natürlich und ein Zustand der Erfahrung.

Die Verwirklichung ist natürlich und unmittelbar.
Es gab keine Beschmutzung.
Die Verwirklichung ist natürlich und ein Zustand der Erfahrung:
Es gab kein Richtiges und keine Abweichung.

Es gab keine Beschmutzung des Unmittelbaren.
Jenes Unmittelbare hängt von nichts ab, schon wird es frei.
Es gab kein Richtiges und keine Abweichung in der Erfahrung:
Der Zustand der Erfahrung ist ohne Plan, aber er macht Anstrengung.

Das Wasser ist rein, ganz bis zum Grund,
Fische schwimmen als Fische
Der Himmel ist weit, klar bis zum Himmel.
Und Vögel fliegen als Vögel!

Dôgen unterstreicht zusammengefasst und poetisch die außerordentliche Wichtigkeit, im Zazen zu sitzen und zu
praktizieren. Dies ist das zentrale Anliegen und das zentrale Tun der Kinder und Enkel der großen buddhistischen Vorfahren im Dharma:

Dies ist das authentische Siegel, das empfangen und weitergegeben wird, von einem-zum-anderen."

Zazen ist die direkte Verwirklichung und Befreiung der Menschen. Diese Praxis ist direkt und einfach, also nicht kompliziert und erzeugt auch keine Komplikationen und Verwirrungen. Sie ist nichts Künstliches, das zufällig entstanden ist und von uns in dieser Form gelernt wird, sondern sie ist natürlich und von unmittelbarer Direktheit.
Die Zazen-Praxis erzeugt keine unnötigen komplexen Zustände in unserem Leben. Sie ist keine ideologische Erfindung, sondern kann ganz einfach von jedem Menschen erfahren und erlebt werden.


Wer in diesem Sinne keine eigenen praktischen Erfahrungen hat, kann nach Dôgen daher diese Praxis nicht erahnen, nicht beschreiben und nicht schätzen. Bei der Zazen-Praxis gab es niemals Verschmutzung und es wird sie auch niemals geben. Da sie natürlich ist, kann man eigentlich gar nicht abweichen oder dogmatisch behaupten, etwas dabei sei richtig und nicht anders. Zazen ist keine falsche Ideologie.

Es gibt dabei keine Abhängigkeit von irgendetwas, sondern die Praxis ist von Anfang an frei, ohne dass es einen Anfang gibt, der als Start zur angestrebten Erleuchtung verstanden werden könnte. Daher gibt es auch keine vordergründige Absicht und kein willentliches Erstreben des Zustandes der Erleuchtung, die in Zukunft erreicht werden soll. Aber es ist unbedingt erforderlich, sich anzustrengen und intensiv zu praktizieren, die genaue Haltung beim Sitzen einzuhalten und so die Einheit von Körper-und-Geist zu erfahren.

Wie bei Meister Wanshi werden die Fische im klaren Wasser und die Vögel im weiten Himmel poetisch und gleichnishaft angesprochen. Dôgen sagt in einem anderen Kapitel, dass die Natur den Dharma lehrt und dass besonders die Wasser und Berge Teil der großen Buddha-Wahrheit sind. Fische sind ganz einfach Fische und Vögel sind ganz einfach Vögel. Sie leben natürlich in ihrem Element und sind dabei frei.