Dienstag, 15. Mai 2012

Unser wahres Handeln im Gleichgewicht


Dieses Kapitel enthält die wichtigsten Ausführungen des Shōbōgenzō über das wahre Handeln und ist damit von zentraler Bedeutung für den Buddhismus überhaupt, den man auch die Religion des Handelns nennen kann. Nishijima und Cross bringen es auf den Punkt:

„Es war Gautama Buddhas historische Aufgabe, die Wahrheit vom Handeln zu finden. Dadurch konnte er die idealistische Religion des Hinduismus und die materialistischen Theorien der sechs Nicht-Buddhisten integrieren“ und auf eine neue Stufe heben.

Handeln ist die Existenz selbst, also die Wirklichkeit und Wahrheit. Ohne Handeln gibt es keine Wirklichkeit und kein menschliches Leben. Sowohl das Denken als auch die Wahrnehmung sind mehr oder minder fehlerbehaftet, nur ein Teil und oft nur ein Schatten der Wirklichkeit. Denken und Reden können sich von der Wirklichkeit völlig ablösen und auch die sinnliche Wahrnehmung ist voller Ungenauigkeiten und sogar Täuschungen. Nicht umsonst verwendet man in den Naturwissenschaften eine ausgefeilte Methodik, um die Beobachtungen der empirischen Wirklichkeit vor Fehlern und Ungenauigkeiten soweit wie möglich abzusichern. Denken und Wahrnehmung stellen immer nur Teil-Dimensionen der Wirklichkeit dar.

Der japanische Titel dieses Kapitels über das wahre Handeln heißt Gyōbutsu-yuigi. Der gesamte Titel verweist auf das edle und wahre Verhalten der handelnden Buddhas. Nishijima Roshi betont, dass damit aber nicht das überwiegend zeremoniell geprägte, äußerlich formalisierte Verhalten im Buddhismus gemeint ist, sondern dass im Gegenteil im Mittelpunkt steht, wie die Buddhas und Erleuchteten im täglichen Leben und im Gleichgewicht handeln, im Hier und Jetzt.

Handelnde Buddhas strahlen nach Dōgen eine natürliche Wahrhaftigkeit aus, sodass wir dieses Handeln auch als edel bezeichnen können.