Dienstag, 8. Januar 2013

Gautama Buddhas Askese und Erleuchtung



(von Nishijima Roshi, editierte Fassung)

Leben als Asket
Obgleich Gautama Buddha von Alara Kalama die Lehre "des Zustandes, nichts zu haben" erhalten hatte, die Gelassenheit und sogar Gleichgültigkeit gegenüber jedem Eigentum beinhaltet und außerdem von Udraka Ramaputra die Lehre: "Den Zustand des Nicht-Denkens/des nicht Nicht-Denkens zu überschreiten", waren diese Philosophien der beiden Denker doch sehr intellektuell und nicht sehr praktisch. Wie sollte man damit ein reales Leben im Alltag führen?

Weil Gautama Buddha jedoch sehr praktisch veranlagt war, konnte er durch die Lehren dieser beiden Weisen nicht wirklich befriedigt werden, da sie für die Lebenspraxis wenig geeignet waren. Daher änderte Gautama Buddha seine Richtung bei der Suche nach der Wahrheit um einhundertachtzig Grad in das Gegenteil der Theorie: Er wollte jetzt ein asketisches Leben erproben, das im alten Indien durchaus populär war, er wollte unbedingt Asket werden. Gautama Buddha wollte die großen Fragen und Probleme des Lebens klären, indem er die physischen Bedingungen so schmerzhaft wie möglich gestalten wollte. Als Asket war daher seine Lebenseinstellung und Praxis überaus ernsthaft und extrem. Er reduzierte seine Nahrung und den Schlaf so weit, dass er manchmal sogar in Ohnmacht fiel.

Das Gerücht "Gautama stirbt" ging mehrmals durch die Wälder der Asketen. Aber Gautama Buddha fand dabei nur die einfache Tatsache, dass sein Geist gleichzeitig mit dem Körper dahinschwand und verdorrte. Je mehr und je härter er seinen physischen Körper peinigte, desto labiler wurde sein Geist. Mit anderen Worten wurde sein Leben mit jedem Tag immer instabiler, je länger er sein asketisches Leben fortsetzte. Dies traf ihn unerwartet, aber es war eine außerordentlich wichtige Erfahrung. Weil er ein sehr praktischer Mensch war, wurde ihm immer klarer, dass ein asketisches Leben völlig ungeeignet ist, um eine authentische Form und geistige Freiheit des Lebens zu erreichen. Wenn er diese wichtige Erfahrung nicht hätte machen können, ist es höchst unwahrscheinlich, dass der Buddhismus überhaupt erkannt hätte, dass ein asketisches Leben für die Suche nach der Wahrheit keinen Wert hat und das Asketentum auf dem Weg zur Wahrheit sogar schädlich ist.

Gautama Buddhas Erleuchtung
Gautama Buddha hatte am eigenen Leibe erfahren, dass ein asketisches Leben völlig sinnlos und ungeeignet ist, um Erleuchtung zu erlangen. Darüber verursacht es schwere körperliche, geistige und spirituelle Zerstörungen. Daher verließ er den Wald des asketischen Lebens in aller Entschiedenheit. Die dort übenden Asketen waren tief enttäuscht und argwöhnten, dass Gautama Buddha den Wald des harten asketischen Lebens verließ, weil es ihm an Ausdauer und Disziplin mangelte. Daher lachten sie über ihn und überhäuften ihn mit Verachtung und Vorwürfen. Wir können jedoch davon ausgehen, dass Gautama Buddha die starke und reine Absicht im Sinn hatte, die Wahrheit zu suchen. Es gab sicher bei ihm nur den klaren Willen, diese Wahrheit zu erlangen. Daher hatte Gautama Buddha die Askese abgebrochen, ohne überhaupt weiter von der Kritik der Asketen Notiz zu nehmen.

Als Er sich dann mühsam am Ufer des Flusses Nairanjana entlang schleppte, bemerkte ein kleines Mädchen mit Namen Sujata den siechen und bemitleidenswerten Zustand von Gautama Buddha und bot ihm Haferschleim zur Kräftigung an, den sie bei sich hatte.

Als Buddha den Haferschleim langsam und vorsichtig gegessen hatte, fühlte er sich etwas kräftiger und sein Körper und Geist erholten sich langsam. Er begann nun auf einem anderen Weg nach der Wahrheit zu streben, indem er bei der Yogapraxis anknüpfte. Gautama Buddha benutzte dabei eine Yogahaltung, die als die beste und wirkungsvollste im Yoga angesehen wird, nämlich den Lotos-Sitz. Diese Sitzpraxis ist dieselbe, die bis in die heutige Zeit beim Zazen verwendet wird.

Nachdem er eine solche Praxis längere Zeit fortgesetzt hatte, saß er an einem Wintermorgen im Zazen und bemerkte mit einem Mal, dass er nicht mehr im Bereich der Gedanken und Wahrnehmung weilte, sondern dass er nur im Bereich der Wirklichkeit selbst lebte. Diese Wirklichkeit war die Wahrheit, die er so lange gesucht hatte! In einem wichtigen Sutra heißt es, dass "Berge, Flüsse, Gras, Bäume vollkommen die Wahrheit geworden sind" und im Shobogenzo von Meister Dogen heißt es in derselben Weise: "Berge, Flüsse und die Erde sind zur Wahrheit geworden".

Daher können wir verstehen, dass Gautama Buddha plötzlich die eindeutige Erfahrung machte, dass diese Welt genau die Wirklichkeit ist und dass diese Welt genau die Wahrheit selbst ist. Was wir in unserem Gehirn erzeugen, kann niemals die Wahrheit werden und was wir durch unsere Sinneswahrnehmungen aufnehmen, kann ebenfalls niemals die volle Wahrheit oder Wirklichkeit sein. Was wir genau im gegenwärtigen Augenblick tun, ist die Wahrheit und ist genau die Wirklichkeit.

Daraus wird schlagartig klar, dass die beiden großartigen westlichen Philosophien des Idealismus und Materialismus niemals die volle Wahrheit sein können. Sie sind nur eine Art von Vorstellung, Illusionen und Täuschungen im Gegensatz zum Handeln im gegenwärtigen Augenblick, durch das wir direkt in die Wirklichkeit und die Wahrheit kommen. Denn gerade die Zazen-Praxis ist Handeln im Augenblick, ohne Täuschungen, Illusionen oder Angst. Das Handeln, das wir im gegenwärtigen Augenblick vollziehen, ist die wirkliche Existenz des Universums und daraus ergibt sich zwingend die Einheit des menschlichen Handelns mit dem realen Universum als die Wirklichkeit selbst. Dies ist eine einfache Tatsache im gegenwärtigen Augenblick und dies ist genau die Erleuchtung.